Leben und Geschehen der KG Vilkerather Narren

in der Zeit von 1946 bis 1957

 

Aus der nun 55jährigen Geschichte der Karnevalsgesellschaft Vilkerather Narren gibt es viel zu erzählen. Außergewöhnlich ist zweifelsohne der Zeitpunkt der Gründung: Oktober 1946. Deutschland lag noch in den Trümmern, und es fehlte eigentlich alles, was fehlen konnte. Doch alteingesessene Vilkerather und aus Köln Evakuierte hatten etwas, was damals für die Ortschaft Gold wert war: Initiative, Ideenreichtum, Humor - trotz der schwierigen Zeiten, Begeisterung für den rheinischen Karneval, seine Tradition und Freude daran, anderen Menschen Spaß und Frohsinn zu bereiten.

 

Der rheinische Karneval war der Vilkerather Bevölkerung keineswegs fremd. Im Saal der Gastwirtschaft Clemens Vogel fand jeweils am Sonntag vor Aschermittwoch ein Maskenball statt. Am Faschingsdienstag feierten die „kleinen“ Jecken. Gesungen wurden allgemein bekannte lustige Lieder. Ausgesprochene Karnevalsschlager waren nicht geläufig. Radioanlagen gab es kaum und Fernseher waren noch Zukunftsobjekte. Den Rosenmontag, wie er weitab in Köln, der Hochburg des rheinischen Karnevals gefeiert wurde, kannten die meisten nur vom Hörensagen. Die Haupturheber zur Idee, den Karneval in Vilkerath in eine feste, organisierte Form zu bringen, waren Franz Trompetter aus Rott, sein Schulkamerad Josef Bosbach aus Obervilkerath, Peter Schwamborn aus Krombach sowie der waschechte Kölner Karnevalsjeck, Hermann Hasberg.

 

Zur Durchführung der Veranstaltungen waren sich die Initiatoren der tatkräftigen und finanziellen Unterstützung ihrer Mitbürger (insbesondere der Geschäftsleute, der Unternehmerschaft und der damals noch zahlreichen Landwirte) sicher, denn ihre Vorhaben waren in mancher Hinsicht sehr geldintensiv. In den Anfangsjahren der Karnevalsgesellschaft Vilkerather Narren war Geld - die Reichsmark - im Allgemeinen keine Mangelware, allerdings gab es dafür kaum etwas zu kaufen. Die Besorgung einfachster Dinge setzte ungemeinen Ideenreichtum und enorme Kreativität voraus. So wundert es auch nicht, dass die damals meist aus der Kölner Karnevalshochburg angereisten Kräfte Wert darauf legten, möglichst mit nahrhaften Naturalien honoriert zu werden. Die Ordensform, heute wie früher fester Bestandteil des Fastelovends, wurde folglich umgewandelt in Butter in Steinkrügelchen, Wurstkränze oder eingepackte Speckstücke, die von vorgenannten Freunden und Gönnern der KG zur Verfügung gestellt wurden. Diese oder Mitglieder der Gesellschaft sorgten auch für die Unterkunft der Kräfte, für die eine An- und Abreise am gleichen Tag oft wegen der schlechten Verkehrs- und Witterungsverhältnisse nicht möglich war.

 

Die ersten Sitzungen im „Narrenlager der KG“ waren ein voller Erfolg. Gemäß dem Motto „wir kleckern nicht, wir klotzen“, organisierte die KG für die Session 1947 eine Prunksitzung, eine Galasitzung, einen karnevalistischen Abend mit Tanz an Weiberfastnacht sowie ein Kostümfest am Karnevalssonntag. Summa summarum wurden 1.432 Eintrittskarten verkauft, gezählt wurden insgesamt 1.760 Gäste auf dem Saal. Das macht im Durchschnitt 440 Gäste auf dem Saal. Allerdings waren die Fülle von Menschen und die notwendige Tuchfühlung auch erforderlich: es gab schließlich keine Zentralheizung auf dem Saal. Im Berichtsbuch ist festgehalten, dass „in Anbetracht des kalten Wetters von 17.00 bis 17.45 Uhr getanzt wurde, ebenso während der Pause von 19.45 bis 20.30 Uhr.“

Die Initiatoren fühlten sich bestärkt, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen. Allerdings wurde in den Folgejahren die Zahl der Eintrittskarten auf ein vernünftiges Maß reduziert.

 

Nicht nur im Rahmen von Karnevalsveranstaltungen sollte der Vilkerather Bevölkerung Freude und Frohsinn zuteil werden. Eine Feier an Silvester, Frühlings-, Sommer- und Blumenfeste gehörten in den Geburtsjahren ebenso zu den Aktivitäten der KG. Gab es aus Veranstaltungen einen Überschuss an Geld, wurde er meist für wohltätige Zwecke wieder ausgegeben, u.a. zugunsten der örtlichen Schulkinderspeisung oder als Zuschuss für die Einkleidung von Kommunionkinder. Unmittelbar vor der Währungsreform wurde ein größerer Geldbetrag (ca. 450,- RM) der Ortsgruppe Overath für Kriegsbeschädigte und Körperbehinderte übergeben. Zur Freude der KG Mitglieder konnte dieser Betrag auch kurzfristig „umgesetzt“ werden, „also einmal anders als an verschiedenen Stellen, wo man gestiftete Gelder liegen ließ und sich über die Verteilung nicht einigen konnte, bis dann am 20. Juni alles faul wurde ...“ schrieb der Protokollant Jakob Carnott.

Wohltätig zeigte man sich auch den Flüchtlingen gegenüber: zu einigen Veranstaltungen wurde eine Anzahl von Freikarten für bedürftige Ostflüchtlinge zur Verfügung gestellt.

 

Doch die Kinder lagen den Vilkerather Narren besonders am Herzen. 1948 wurde eigens für sie ein bunter karnevalistischer Zug durch den Ort initiiert. Der damalige Schriftführer Aloys Schwamborn schrieb im Protokoll- und Berichtsheft der KG am 8. Februar 1948:

 

“Es wurde am Nachmittag nach der Andacht ein lustiger Zug durch den Ort veranstaltet unter reger Beteiligung vieler kostümierter Kinder, die größtenteils recht originell angezogen waren. Selbst der feine, intensive Regen konnte der Begeisterung keinen Abbruch tun. Während des Zuges verteilten die Elferratsmitglieder kleinere Geschenke an die Kinder und die Freude der Kinder bzw. der Jugend fand ihren Höhepunkt am Schluss der Veranstaltung, als eine große Menge Süßigkeiten verteilt und die besten Kostüme prämiert wurden. Die sehr erheblichen Unkosten wurden restlos von der Gesellschaft getragen. Und die glänzenden Augen und frohen Gesichter der Kinder waren der schönste Beweis für ihre Dankbarkeit.“

 

„Nachdem mit großen Schwierigkeiten die Aufbauarbeit der Karnevalsgesellschaft Vilkerather Narren beendet war, wurde man sich bewusst, dass zu den Herren als Krone der Schöpfung die eigentlichen Juwelen fehlten,“ so ein Zitat von Martha Schauerte, der ersten Vorsitzenden des „Damenkomitees“, das 1953 ins Leben gerufen wurde. Die Vilkerather Damenwelt hatte also zweifelsohne an dem von den Männern der ersten Stunden - die KG zählte in diesem Jahr 25 aktive männliche Mitglieder (wohlgemerkt: nur männliche Mitglieder!!) - veranstalteten karnevalistischen Treiben Gefallen gefunden. Die (intern offizielle) Gründung des „Damenvereins“ erfolgte am 17. Januar 1953 im Rahmen einer Vorstandssitzung der KG: es gab den ersten weiblichen Elferrat in Vilkerath. Ihr gehörten an die Damen Lucia Prinz, Martha Franke, Hilde Heuser, Anna Bilstein, Else Kurth, Ilse Fischer, Gertrud Reudenbach, Klara Müller, Maria Schwamborn, Erika Gonschor und Maria Prinz. Einstimmig wurde Lucia Prinz zur Präsidentin gewählt, Martha Franke übernahm das Amt der ersten Vorsitzenden. Die offizielle Einführung des Damen-Elferrates erfolgte auf der Prunksitzung am 31. Januar 1953.

 

Über das Vereinsleben des Damenkomitees, das heißt u.a. über ihre Zusammenkünfte, Beschlüsse oder Vorhaben liegen dem Redaktionsteam bedauerlicherweise keine schriftlichen Unterlagen zur Verfügung. Interviews und Nachforschungen sind leider immer nur sehr begrenzt nutzbar, da den Erzählenden zwar herausragende Ereignisse aus früheren Tagen gegenwärtig sind, allerdings ist der Zeitpunkt nicht zu benennen oder Zusammenhänge werden verzerrt. Insofern beruhen die Ausführungen über das Damenkomitee im Wesentlichen auf die Niederschriften der „männerdominierenden“ Gesellschaft, d.h. auf das Protokoll- und Berichtsbuch der Gesellschaft. Eines wird sich jedoch in den Folgejahren zeigen: das angeblich „schwache Geschlecht“ entpuppt sich im nächsten Jahrzehnt als sehr erfolgreich und unentbehrlich für die Männerwelt der KG Vilkerather Narren.

 

Karnevalshits der Jahre 1946-1956:

1946 Blotwoosch, Kölsch un e lecker Mädche

1947 Am Dom zo Kölle

1948 Sag ens Blotwoosch

1949 Trizonesien-Song

1950 Wer soll das bezahlen

1951 En dr Kaygaß Nummer Null

1952 Agrippina, Agrippinensis

1953 Dat Glockespill vum Rothuusturm

1954 Das Camping-Lied